Zum Reformationsjubiläum 2016/2017 – »Jubeljahr mit Bittertropfen«
Zum Kirchentag 2019 – »Was für ein Kirchentag...«
Bischof Ackermann und der Aufstand der Gläubigen – »Warum diese Aufregung?«
Thomas Ebersberg
Bischof Ackermann... »Warum diese Aufregung?«
Da
hat der Trierer Bischof Ackermann, der oberste Missbrauchsbeauftragte der katholischen
Kirche, etwas gesagt, was er sogleich wieder zurücknahm und wofür er sich auch
noch entschuldigte. Er hatte vorgeschlagen, die Missbrauchsopfer aus dem Fundus
der Kirchensteuer zu entschädigen. Die Gläubigen sind entsetzt, die Ehrenamtlichen
drohen mit der Aufgabe ihrer Ämter und in Kirchenkreisen befürchtet man eine
Austrittswelle. Als nüchterner Betrachter von außen fragt man sich: warum diese
Aufregung? Ist da wirklich etwas Neues passiert? Bezahlen die Gläubigen nicht
seit jeher für die Sünden ihrer Kirchenoberen, für den Luxus und das Mätressenwesen
der mittelalterlichen Päpste und Kirchenfürsten ebenso wie für die Pfründe in
der Feudalzeit und die Aktien und sonstigen Kapitalanlagen der Kirche in der
Moderne?
Wie und warum wurde die katholische Kirche denn die reichste Organisation auf
dieser Welt? Durch ihrer Hände Arbeit? Wer hat die Weinberge der Trierer Bischöfe,
die jetzt zur Disposition stehen, bezahlt? Ja, die Erkenntnis, dass schon immer
die Gläubigen zur Kasse gebeten wurden, ist bitter und lässt manchen Gläubigen
darüber grübeln, ob er noch dieser Organisation treu bleiben und sie weiterhin
"sponsern" soll. Die Lösung ist nicht so einfach. Denn bei einem Austritt müsste
er auf die drei großen kirchlichen Rituale verzichten, auf Taufe, Hochzeit und
Beerdigung.
Auf die Sonntagspredigt kann er schon lange verzichten. Nur noch wenige finden
am Sonntag den Weg zur Kirche. Was er dort hören würde, unterscheidet sich kaum
mehr von den säkularen Predigten der Politiker: "Bewahrung der Schöpfung", sprich:
Natur- und Klimaschutz, und in Anlehnung an die "Nächstenliebe": Friedensappelle
und Aufrufe zur Solidarität und zu sozialer Gerechtigkeit. Auch die priesterliche
Absolution, die Lossprechung von den Sünden, brauchen die Gläubigen nicht mehr.
"Sünde", was ist das? Das Sündenbewusstsein ist dahin, die Beichtstühle bleiben
leer. Die Sünden gegen die eigene Gesundheit und das Klima sind im Beichtspiegel
nicht aufgeführt. Und was die Sexualität angeht, da macht ohnehin jeder, was
ihn gut dünkt. Warum also in der Kirche bleiben?
An der Botschaft jenes Jesus kann es nicht liegen. Der träumte sicher nicht
von einem pompösen Petersdom und auch nicht von staatlich finanzierten Kirchenfürsten.
Seine Botschaft war einfach gestrickt. Sie hätte keines Lehramtes bedurft, keines
ausgefeilten Sündenkatalogs. Und dass jener Ausspruch: "Du bist Petrus, der
Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen..." ein authentisches
Jesuszitat ist, das würde heute kein Bibelexeget, der etwas von historischer
Textkritik versteht, behaupten.
"Wer an mich glaubt..." bedeutete für jenen Jesus sicher nicht: "Wer an die
katholische Kirche glaubt..." Diese Kirche ahnte, dass ihr Alleinvertretungsanspruch
auf wackeligen Füßen steht. Deshalb formulierte sie ja auch die Drohung: "Extra
ecclesiam nulla salus!" - auf Deutsch: "Außerhalb der Kirche kein Heil!" Wer
diese Kirche verlässt oder wer exkommuniziert wird, dem droht die Höllenpein.
Man darf vermuten, dass sich diese Drohung irgendwo im Unbewussten der Gläubigen
festgesetzt hat. Auch wenn man nicht mehr so recht an ein Leben nach dem Tod
und das Jenseitsparadies glaubt - man kann ja nie wissen… Da will man es mit
der Institution, die über den Eintritt ins Paradies wacht, nicht verderben.
Sie sind nicht zu beneiden, diese Gläubigen, hin- und hergerissen zwischen den
beiden zugleich abschreckenden und verführerischen Möglichkeiten: Bleiben oder
Austreten?