4. Wie sie dich
belohnen
. . .
Wir brauchen unseren Hunger nicht nur in der
Phantasie zu stillen…
Abenteuer „Konsum“
Der Mensch lebt nicht vom Zuschauen
allein, noch nicht. Noch haben wir
die Höhen der reinen Geistigkeit nicht völlig erreicht. Die Kultur bietet uns
neben dem imaginären Leben aus der Bildröhre konkretere Sattmacher an. Wir
brauchen unseren Hunger nicht nur in der Phantasie zu stillen. Das Fernsehen
selbst erinnert uns mit liebenswerter Regelmäßigkeit an all die Dinge, die das
Leben schöner und reicher machen.
Das Angebot an Konsumgütern ist
mindestens ebenso phantastisch wie das Angebot an Illusion. Fast möchte man
sagen, die Konsumgüter bilden das reale Gegengewicht zu jener irrealen Welt,
die sich in der Imagination abspielt. Sie sind verdichtetes, konkretisiertes
Leben, Träume zum Anfassen, Verankerung in einer zunehmend abstrakt
und schwerelos werdenden Wirklichkeit.
„Kaufen“ wurde das Pendant zum
„Zuschauen“. Deine Lust ist die „Kauflust“, deine Kraft die „Kaufkraft“;
deine Erlebnisse sind die „Einkaufserlebnisse“, deine Paradiese die
„Einkaufsparadiese“.
Man bezeichnet dich als „Konsumenten“
oder „Verbraucher“. Das klingt wenig schmeichelhaft, trifft aber den
Tatbestand. Doch hinter dem Titel verbirgt sich mehr, als der spröde Begriff
vermuten lässt. Allen Konsumkritikern zum Trotz: Konsumieren ist keine
Erfindung der Neuzeit; es ist eine Urformel des Lebens. Die gesamte Natur
„konsumiert“ unablässig. Nur – was, wie viel und aus welchen Motiven konsumiert
wird, darin hat die Moderne wahrhaft neue Maßstäbe gesetzt.
Es geht nicht mehr um die elementaren
Spielarten von Konsum. Wir leben nicht mehr auf der Stufe der „Jäger und
Sammler“. Wir geben uns nicht mit Wurzeln, Beeren, Beutetieren und Weibchen
zufrieden. Es ist uns unvorstellbar geworden, wie sich unsere primitiven
Vorfahren im Urwald ihres Lebens überhaupt erfreuen konnten.
Wir sind anspruchsvoll und wir sind
stolz darauf. Eisschrank, WC, Fernsehapparat, Auto und vieles mehr – das gehört
für uns schon beinahe zu den „Menschenrechten“. Die Grenzen zwischen „notwendig“
und „überflüssig“ sind längst verschwommen. Und wenn wir auf das Flair des
Luxuriösen ganz verzichten müssten, würden wir in Panik oder tiefe Depression
verfallen.
Leben ist mehr als nacktes Überleben,
Konsumieren ist mehr als das Verbrauchen von Dingen, die wir unbedingt
„brauchen“. Selbst der miesepetrigste Moralist kann es kaum leugnen –
Konsumieren hat neue Dimensionen erlangt, die allerdings nur der begreift, der
sich auf das Abenteuer Konsum einlässt.