Mit Lust in die Zukunft

 

Lass dir die Lust auf die Zukunft nicht verderben! Der Mensch hat noch immer – manchmal im letzten Augenblick – den rettenden Ausweg gefunden. Das ist der feine Unterschied zwischen Mensch und Tier, den die Biologisten mit ihren Aussterbeprophezeiungen nur allzu gerne übersehen.

Das Tier ist den Veränderungen relativ hilflos ausgeliefert. Die biologische Evolution arbeitet zu langsam. Der Mensch jedoch, der zum eigentlichen Evolutionsträger auf diesem Planeten avanciert ist und die Evolution gewissermaßen selbst in die Hand genommen hat, verfügt über die kreative Anpassungsfähigkeit, um gegebenenfalls sich oder die Umwelt zu verändern. Mit steigendem Problemdruck macht sich sein Verstand auf die Suche und findet die Lösungen zum Überleben.

Angst und Pessimismus lähmen. Wer wird denn gleich an den „Kinderkrankheiten“ des Homo sapiens verzweifeln. Äußerlich hat sich der Homo erectus doch schon aufgerichtet. Was seinen Geist und sein Bewusstsein betrifft, dürfte er sich noch mitten im Prozess des Sich-Aufrichtens befinden. Dass er sich dabei den Kopf an allerlei Ecken und Kanten anstößt, sollte kein Grund zur Panik oder Resignation sein.

Der Mensch hat die Nebel infantiler, magisch-mythischer Ängste und Träume beinahe zerrissen. Es ist nur verständlich, dass er im Überschwang des neu entdeckten Selbstbewusstseins manches übertreibt. Auch darin gleicht der Mensch der Natur, ist er Natur. Er liebt das Exzentrische, den Vorstoß ins Extrem.

Die Natur hatte keine Lust, im „idealen“ Zustand eines dichten Materieklumpens zu verharren. Der Klumpen explodierte und entwickelte sich zu diesem ebenso grandiosen wie furchtbaren Schauspiel. Warum sollte sich der Mensch aus dem Prinzip Evolution ausschließen? Und selbst wenn er es wollte – er kann es nicht. Den Stillstand predigen und aus Angst vor der Zukunft in eine scheinbar idyllische Vergangenheit flüchten, das ist etwas für verzagte Kleingeister.

„Vergangenheit prägt – Zukunft lockt!“ Warum sollten wir uns gegen die Faszination des Neuen und Unbekannten wehren? Niemand verlangt von dir, dass du deine Vergangenheit verleugnest. Der Kampf zwischen einer Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist, und einer Zukunft, die schon begonnen hat, ist vielleicht das aufregendste Abenteuer, in das jeder von uns – ja der ganze Kosmos – hineinverwickelt ist. Die „Affinitäten“ mögen unterschiedlich sein. Aber eine einseitige Blickrichtung wäre einfältig. In dem Kampf zwischen Vergangenheit und Zukunft gibt es keinen absoluten Sieger.

Vielleicht wird ein „aufgeklärter Mensch der Zukunft“ endlich die Tatsache akzeptieren, dass alles Geschehen, ob in der Natur oder in der Kultur – die Unterscheidung ist sinnlos –, dass dies alles „zweigesichtig“ ist. Vielleicht wird der naturforschende Mensch doch noch einsehen, dass sich diese Natur samt Mensch jeder simplifizierenden und ideologisierenden Einseitigkeit entzieht.

 

Du erfreust dich am Schönen,

da grinst dich das Hässliche an.

Du vertraust auf die Ordnung,

da schlägt dich der Zufall.

Du wiegst dich in Hoffnungen,

da packt dich Verzweiflung.

Du glaubst an den Sinn,

da lacht dich das Absurde aus.

Du verkündest das Absurde,

da fühlst du einen Sinn.

 

Diese „zweigesichtige“ Natur ist schon ärgerlich für Leute, die an das Absolute glauben, an die eine Wahrheit und an die einfache, sprich: „einfältige“ Lösung der Probleme. Sie predigen das totale Happyend oder die totale Absurdität. In einem fröhlich trotzigen Kamikazeakt stürzen sich diese Utopiefetischisten in ihren Glauben.

Täglich werden sie Lügen gestraft. Ihre „Religion“ spaltet sie, bringt sie zu sich und dem ganzen Sein in Widerspruch, anstatt eine „religio“, eine Beziehung zu schaffen. Sie können sich mit dieser Welt nicht „eins“ fühlen und hoffen ewig auf eine „andere“ Welt.

Mögen sie sich krampfhaft an ihrem statischen Weltbild festhalten und an dem Glauben, dass ihre „Wahrheit“ absolut und „bis in Ewigkeit, Amen“ gültig sei. Mögen sie sich an ihrem süßen Dauerlutscher Utopie festklammem, wenn er sie tröstet! Nachdem es gelungen ist, das alte physikalische Weltbild zu revidieren – die Physik ist bekanntlich weniger von Vorurteilen blockiert als das Thema Mensch –, könnte es doch möglich sein, dass eines Tages ein „Einstein of human being“ auf den Plan tritt und das „Menschenbild“ revidiert.

Vielleicht wird er entdecken, dass es auch für den Menschen weder Gleichzeitigkeit noch Gleichräumigkeit gibt. Jeder von uns befindet sich räumlich und zeitlich an einem anderen Punkt der Weltgeschichte, und dieser Punkt ruht nicht, sondern ist in Bewegung. Für jeden von uns gilt ein „modifiziertes“ oder „relativiertes“ Gesetz. Und dieses Gesetz selbst ist nicht absolut, sondern durchlöchert von Zufall und Chaos, vom „Gesetz der Gesetzlosigkeit“.

Diese Erkenntnis wird etwas Befreiendes haben. Du wirst die anderen akzeptieren, wie sie sind. Mit den Normen und der Einheitsmoral, in die man dich presst, wirst du dich nicht mehr fraglos identifizieren. Vielleicht wirst du sie verspotten und brechen.

Du wirst deinen eigenen, ganz spezifischen Standpunkt in diesem schönen und grausamen Spektakel orten. Ob es dich in die weihrauchgeschwängerte Magie der Vergangenheit oder in die kühle Bewusstheit der Zukunft zieht, spielt keine Rolle. Dein inneres „Feeling“ wird dir verraten, wo du hingehörst.

Und wenn du dich nirgends heimisch fühlst, nimm es nicht tragisch. Vielleicht ist es dein Schicksal, aus der Geborgenheit der Erdenschwere herausgeschleudert zu werden und wie jener interstellare kosmische Staub ziellos durchs All zu irren.

Doch bevor wir vollends zu philosophischen Höhenflügen abheben, halt ein, mein Freund! Das war nicht der Sinn dieses Buches. Es wollte nicht deuten, sondern nur skizzieren, was ist und was sich andeutet. Das zermürbend grüblerische Warum und Wozu sparen wir uns lieber für ein andermal auf. Das Zeitalter der schönen Oberfläche ist dem philosophischen Tiefgang abhold. Denkanstöße genügen. Wer wird denn gleich alles zu Ende denken wollen!

Im übrigen erinnere ich dich an das Vorwort zu diesem Buch: „Niemand verlangt von dir, dass du irgend etwas an deinem Leben änderst. Nach der Lektüre wirst du das Buch zur Seite legen und wie gewohnt an deinen Arbeitsplatz und ins häusliche Ehebett zurückkehren. Das Ganze war eine Art amüsanter, fiktiver Ausflug in ein verbotenes Territorium.“

 

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