Vorwort
Warnung vor dem Buch
Wenn du ein zartes Gemüt hast, leg
dieses Buch beiseite! Es ist ein Machwerk voll von schamloser Indiskretion und
blasphemischer Respektlosigkeit. Du könntest erröten und dich entrüsten.
Wenn dir irgendetwas auf dieser Welt
heilig ist, lass die Hände von diesem Buch. Warum solltest du deinen Glauben der
Lächerlichkeit preisgeben? Warum zusehen, wie Papst und Politiker in den
Schmutz gezogen, die Kunst entweiht und die häusliche Idylle zerstört werden?
Warum solltest du das fest gefügte Gerüst deiner Moral ins Wanken bringen? Lass
dich nicht aus der schönen Welt der Illusionen, aus dem Garten deiner Träume
vertreiben!
Wenn dir aber dein Glück zu fade ist,
wenn hinter deinem neutralen Wohlverhalten bisweilen Lüsternheit aufflackert
und wenn deine Neugier stärker ist als deine Angst – dann könnte es sich lohnen,
weiterzulesen.
Ich warne dich. Es ist immer noch
verboten, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Die Frucht schmeckt süß, aber sie
hat einen bitteren Nachgeschmack. „Sie erkannten, dass sie nackt waren.“ Dies
ist ein Striptease, wo weder verführerische Weiblichkeit noch stolze
Männlichkeit präsentiert wird. Deine Lust als Zuschauer könnte sich leicht in
den Alptraum verwandeln, selbst auf die Rampe gezerrt und Stück für Stück
entkleidet zu werden.
Wenn du aber dieser als „Warnung“
getarnten Verführung erliegst, so sei zu deiner Beruhigung gesagt: Niemand
verlangt von dir, dass du irgend etwas an deinem Leben
änderst. Nach der Lektüre wirst du dieses Buch zur Seite legen und wie gewohnt
an deinen Arbeitsplatz und ins häusliche Ehebett zurückkehren. Das Ganze war
eine Art amüsanter, fiktiver Ausflug in ein verbotenes Territorium.
Das Thema bist Du!
Als ernsthafter Zeitgenosse machst du
dir über manches Gedanken. Du drückst dich nicht vor
den großen Problemen dieser Zeit: Umwelt und Frieden. Nicht kleinkariertes
Interesse für dein unbedeutendes Ich, sondern die Sorge um die ganze Menschheit
beherrscht dein Denken. Das ehrt dich.
Du scheust auch nicht die Konsequenzen
deiner Überzeugungen fürs alltägliche Leben. Du verwendest phosphatfreie
Waschmittel, ernährst dich von Obst und Gemüse aus biologischem Anbau und
leistest feierlich deine Unterschrift gegen die Stationierung von Atomwaffen.
Auch das spricht für dich.
Dennoch, ich kann mir nicht helfen – diese
„globalen“ Themen sind irgendwo langweilig und frustrierend. Sie leben von
kurzzeitig aufgeputschten Gefühlen. Gewiss, es tut gut, seinem Zorn einmal
ungehindert freien Lauf zu lassen und seine Ängste zu formulieren, ohne sich
ihrer schämen zu müssen. Du marschierst in der Demo, brüllst ins Mikro,
diskutierst und applaudierst – doch mehr ist nicht „drin“. Im Grunde bist du
machtlos. Du kannst weder der Industrie das Handwerk legen, noch hast du Zugang
zum roten Telefon.
Das Leben ist mehr als Waschmittel,
Ernährung und Atomenergie. Vergessen wir für eine Weile die überdimensionalen
globalen Themen, die nur sinnlosen Zorn oder diffuse lähmende Ängste auslösen.
Wenden wir uns ohne Scham und schlechtes Gewissen dem Naheliegenden zu, uns und
unserem Leben. Das Thema seist Du!
Dein Leben, das auf den ersten Blick
vielleicht bescheiden aussieht, ist erstaunlicher, als du denkst; origineller,
als du wahrhaben möchtest; spannender, als du es ahnst. Dramatik ist keine
Frage von Fakten und Ereignissen – diese können unscheinbar sein. – sondern
eine Frage des „Spannungsfeldes“. Permanent befindest du dich im Magnetfeld
unsichtbarer Kräfte, die dich auf ihre Seite zu ziehen versuchen. Du wirst
umworben und umlauert, gestreichelt und geohrfeigt, geschaukelt und verschaukelt.
Dein Leben ist ein Kampf, auch wenn es
bisweilen wie ein Starrkrampf aussieht. Du fühlst dich vielleicht scheintot.
Doch unter der Oberfläche herrscht quirliges Leben. Denk nur an unseren
Planeten Erde: Unter der erstarrten Kruste brodelt glühendes,
explosives Magma.
Bei aller scheinbaren, äußerlichen
Banalität – es liegt ein Hauch von Tragik und Größe über dir. Dich und dein
Leben zu beurteilen wäre anmaßend. Jeder von uns ist einzigartig, hat seinen
unverwechselbaren Fingerabdruck, den er hinterlässt oder nicht. Glanz und Elend
deines Ich kannst nur du selbst erfassen. Deine „ganz persönliche Geschichte“
sei unangetastet.
Unsere Neugier soll sich darauf
beschränken, den groben Raster zu finden; das Koordinatensystem, auf das man
dich aufträgt; die Schablonen, durch die man dich presst; das Klima, in das du
hineingeboren wirst. Schließlich dürfte es ein Unterschied sein, ob du das
Licht der Welt in der schwülen Dämmerung des Urwalds erblickst oder in der
kühlen Klarheit der gemäßigten Zonen. Es ist ein Unterschied, ob du dich in
eine primitive Steinzeit oder in die High-end-Kultur
der Moderne einfügen musst.
Schauen wir unserer Zeit beherzt unter
den Rock. Diese Zeit liebt dich und drückt dich so heftig an sich, dass dir
manchmal die Luft wegbleibt. Sie bereitet dir Wollust und Schmerzen, sie ist
Geliebte und Tyrannin.
Begeben wir uns auf den
abenteuerlichen Streifzug durch ein ganz normales Leben. Schauen wir uns an,
wie sie dich präparieren, was sie dir anbieten, wie sie dich locken und
belohnen. Werfen wir einen Blick auf den ideologischen Background, der hier und
da durchschimmert. Doch keine Sorge. Wir werden den philosophischen Höhenflug
in abstrakte Sphären meiden; dem Konkreten geben wir den Vorzug.
Beim genaueren Hinschauen kann es
allerdings passieren, dass das Selbstverständliche die Fratze des Absurden
annimmt; dass das Bewunderte plötzlich lächerlich wirkt, das Verachtete
heimlich an Faszination gewinnt. Und heiterer Humor kann sich in makabren
Zynismus wandeln. Das soll uns nicht abschrecken. Im Gegenteil. Wenn die Dinge
unvermutet in einem anderen, ungewohnten Licht erscheinen, kann das der Anfang
der „Erleuchtung“ sein.
Genug der frommen Worte. Hier geht es
nicht um „geheime Offenbarungen“, sondern um die neugierig spielerische Annäherung
an dich und dein erstaunliches Leben. Das alles ist
nicht so düster und hoffnungslos, wie uns die Pessimisten glauben machen.
Vieles ist noch offen und lässt die Konturen des Zukunftsmenschen, des „New
future man“, erahnen. Doch zuerst geht es um dich. Das Thema
bist Du.